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Re: 9live ein illegales Glücksspiel?

geschrieben von Mario am 28.05.2004 um 12:03:54

Hallo Julius,

ich sehe das genauso. Teilweise wurden noch einfachere Fragen gestellt, z.b. "Welche Farbe hat der Himmel? (rot/blau)". Eine Spezialität von 9live ist es zudem, vor den sog. Jackpot-Fragen, wo größere Beträge ausgespielt werden, redaktionelle Beiträge auszustrahlen, in denen mit der Thematik und auch mehrfach explizit auf das Lösungswort hingewiesen wird.

Ziel ist natürlich, die Zahl der Anrufer, die in vermeintlicher Kenntnis der Lösung und in Hoffnung eines Gewinns anrufen, zu erhöhen.

Gleichermaßen bedenklich finde ich es, daß mit der Einblendung der kostenpflichtigen Nummer zwar auch die Videotext-Seite eingeblendet wird, auf der über die Modalitäten des Gewinnspiels aufgeklärt wird, aber erstens hat nicht jeder Verbraucher Videotext am Fernsehgerät und zweitens hat die entsprechende Videotextseite 8 Subseiten, wobei über die Wirkungsweise des Zufallscomputers erst auf der 7. Subseite aufgeklärt wird. Dadurch ist es einem potentiellen Teilnehmer nicht möglich, innerhalb der verbleibenden Zeit zu entscheiden, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, dieser geringwahrscheinlichen Gewinnaussicht sein Telefonentgelt zu widmen.

Nun noch zum juristischen: Leider halten sich die Gerichte gerne an früheren Entscheidungen fest. Nachdem mehrfach entschieden wurde, daß Aufwendungen in Höhe des Postkarten- oder Briefportos zulässig sind, werden die zahlenmäßigen Beträge einfach auf diese Telefongewinnspiele erstreckt. Das halte ich für eine fatale Sichtweise. Denn beim Briefporto wird der Veranstalter eines Gewinnspiels nicht an den Erlösen/Gewinnen des Postlaufs beteiligt. Bei Erscheinungsformen wie 9live ist es aber gerade Wesensmerkmal, daß sich diese über die Mehrwertdienste finanzieren, mehr noch, Gewinne einstreichen. Ich bin mir sicher, daß man dort sehr genau weiß, welche Mischung aus Schwierigkeitsgrad und Beantwortungsrestzeit man bei welchen ausgelobten Beträgen wählen muß, damit die Sendung gewinnbringend bleibt.

Bei der Untersuchung solcher Veranstaltungen auf einen Verstoß gegen die §§ 284 ff StGB müßte nach meiner Einschätzung differenzierter herangegangen werden:

Um die oben beschriebene Problematik mit den Erlösen/Gewinnen aus den Mehrwertrufnummern zu umgehen, ist das Spiel bei 9live aufgeteilt. Mit der (kinderleichten) Einstiegsfrage ist nie ein unmittelbarer (finanzieller) Gewinn verbunden, sondern nur das Anrecht, an einer weiteren Frage teilzunehmen, deren richtige Beantwortung einen hohen Gewinn auslöst, aber durch den Schwierigkeitsgrad sehr schwer richtig zu beantworten ist. In dem ersten "Kreis" könnte man nun einen Einsatz in Form der Telefongebühren bejahen, weil eben ein Teil dem Veranstalter zufließt. Durch den Zufallscomputer wäre auch das Merkmal der Zufälligkeit gegeben. Allerdings fehlt es hier an einer Gewinnausschüttung, weil noch nichts gewonnen wurde. Im zweiten "Geschehenskreis" fehlt es allerdings an der Zufälligkeit, weil demjenigen, der die Einstigsfrage richtig beantwortete jedenfalls auch die Hauptfrage gestellt wird. Dort ist man also in der Tat im Bereich eines Geschicklichkeitsspiels, weil die richtige Beantwortung nur vom Geschicke des Teilnehmers abhängt.

Aber stimmt das so wirklich? Ist mit der richtigen Beantwortung der Einstiegsfrage wirklich kein "Gewinn" verbunden? Ich meine, daß diese Frage aus der Sicht der Verbraucher zu beantworten ist, denn für diese wird es in aller Regel eine "geldwerte" Situation sein, an der Hauptfrage teilzunehmen. Denn immerhin sind sie bereit, ihre Telefonentgelte für diese Situation herzugeben, die mit der Aussicht auf einen größeren Gewinn verbunden ist, und selbst bei Unkenntnis der richtigen Antwort auf die Hauptfrage liegt die Wahrscheinlichkeit des Gewinns nicht bei Null, weil auch durch Raten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ins Schwarze getroffen werden kann. Anders läge der Fall gewiß, wenn der Gewinn an die autonome Beantwortung der Hauptfrage (wie bei der Einstiegsfrage) gekoppelt wäre, und nicht durch mutiple choice erlangt werden könnte. Man darf vermuten, daß die Verbraucher mit der Kenntnis, daß der Gewinn in der Hauptfrage nur mit der eigenständigen Beantwortung gewonnen werden kann, weniger geneigt wären, dafür Telefonentgelte einzusetzen.

In der Gesamtsicht - wiederum aus der Sicht des Verbrauchers - handelt es sich bei der gesmaten Ablaufkette um ein reines Glücksspiel. Er setzt seinen Einsatz mit der Aussicht auf den großen Gewinn in der Hauptfrage. Am Anfang entscheidet der Zufall in Form des Computers und bei der Hauptfrage in Form einer willkürlichen Antwort auf eine Frage, die selbst mit gehobener Allgmeinbildung unbeantwortbar bleibt. Das Bindeglied zwischen beiden Teilveranstaltungen ist das multiple choice Verfahren bei der Hauptfrage.

Meines Erachtens liegt ein Verstoß gegen § 284 vor.



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